Steuerbefreiung in § 4 Nr. 13 UStG europarechtswidrig – ein Problem für Wohnungseigentümer?
Bisher waren nach § 4 Nr. 13 UStG bestimmte Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften an ihre Mitglieder steuerbefreit. Diese Steuerbefreiung erklärt der EuGH mit seinem Urteil vom 17.12.2020 in der Rs. WEG Tevesstraße (C-449/19) für unionsrechtswidrig. Die Rechtsfolgen und insbesondere die Reaktion der deutschen Finzverwaltung und des Gesetzgebers können noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Auswirkungen des Urteils werden jedoch – weit über den Fall der Wärmeerzeugung hinaus – gravierend sein. Die Umsatzsteuerbelastung wird in Zukunft wohl zu einer Schlechterstellung von Wohnungseigentümern im Vergleich zu Mietern und Gebäudeeigentümern führen.
Der Fall:
Eine WEG hatte ein Blockheizkraftwerk errichtet und lieferte danach Wärme an die Eigentümer. Die WEG beanspruchte beim Finanzamt einen Vorsteuerabzug für den Anteil der Kosten für Anschaffung und Betrieb des BHKW. Das Finanzamt verweigerte den Vorsteuerabzug unter Hinweis auf § 4 Nr. 13 UStG, wonach es sich bei der Wärmelieferung der WEG an ihre Mitglieder um einen steuerfreien Umsatz handele.
Die Entscheidung:
Das von der WEG angerufene Finanzgericht Baden-Württemberg hat den Gerichtshof mit der Frage befasst, ob die Mehrwertsteuerrichtlinie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Lieferung von Wärme durch Wohnungseigentümergemeinschaften an ihre Wohnungseigentümer von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Mit seinem Urteil bejaht der Gerichtshof diese Frage. Weiter stellt der Gerichtshof fest, dass es nach der Bestimmung der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten die „Vermietung und Verpachtung von Grundstücken“ von der Steuer befreien, nicht erlaubt ist, die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, wie im deutschen Umsatzsteuergesetz vorgesehen von der Umsatzsteuer zu befreien. Der Rechtsstreit ist an das Finanzgericht zur weiteren Klärung zurückverwiesen. Die Rechtsfrage der Unwirksamkeit des § 4 Nr. 13 UStG ist jedoch bindend.
Will Deutschland einem Vertragsverletzungsverfahren entgehen, ist der Gesetzgeber zum Tätigwerden aufgerufen. Bis dahin genießen WEGs (noch) Vertrauensschutz durch das nationale Recht. Eine richtlinienkonforme Auslegung contra legem wäre unzulässig.
Die Entscheidung eröffnet neue Handlungsspielräume: WEGs können sich in Zukunft auf die Nichtanwendbarkeit von § 4 Nr. 13 UStG berufen und die Leistungen an ihre Mitglieder als steuerpflichtig behandeln. Dies ermöglicht den Vorsteuerabzug – innerhalb des Berichtigungszeitraums nach § 15a UStG auch nachträglich. Für betroffene WEGs empfiehlt es sich daher zu prüfen, ob sich der Vorsteuerabzug im Einzelfall auszahlt.
Überdies scheint der EuGH die Tür zur Steuerbefreiung nicht komplett geschlossen zu haben. Entscheidend war für den EuGH wohl, dass bei einer „Lieferung“ von Wärme kein Raum mehr blieb für die Annahme einer Vermietungsleistung. Anders gewendet bedeutet das: Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich andere sonstige Leistungen der WEGs im Dunstkreis der steuerbefreiten Vermietungsleistungen (Art. 135 MwStSystRL) bewegen. Zu denken wäre hier an Umlagen für die Überlassung und Instandhaltung gemeinschaftlichen Eigentums, die Waschküchen- und Waschmaschinenbenutzung, die Müllabfuhr oder Schornsteinreinigung.