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Umsatzsteuer für Versorgungsunternehmen

Das Jahr 2020 ist zu Ende und Versorgungsunternehmen (Strom, Gas, Wasser etc.) stellen ihre Jahresrechnungen an (Wohnungs-)Unternehmen. Sofern das Geschäftsjahr der Wohnungsunternehmen dem Kalenderjahr entspricht, endet der (Jahres-)Ablesezeitraum i. d. R. im zweiten Halbjahr 2020. Bei Prüfung der Jahresabrechnungen stellt sich nunmehr die Frage, ob die ausgewiesene Umsatzsteuer die Richtige ist. Die Verfahrensweise der Versorgungsunternehmen ist derzeit nicht einheitlich.


Maßgebend für die Anwendung eines Umsatzsteuersatzes ist der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Für den Steuersatz bei Versorgungsleistungen kommt es darauf an, wann der Ablesezeitraum endet. Endet dieser im zweiten Halbjahr 2020, unterliegt nach dem sog. Stichtagsmodell der gesamte Verbrauch des Ablesezeitraums dem reduzierten Steuersatz von 16 % bzw. 5 %. Die befristete Umsatzsteuersatzreduzierung ergibt sich aus dem „Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz“. Versorgungsunternehmen wenden jedoch immer wieder das sogenannte Zeitscheibenmodell an und berechnen die bis zum 30.06.2020 erbrachten Leistungen mit dem alten Steuersatz und nur die Leistungen, die ab dem 01.07.2020 erbracht werden, mit dem reduzierten Steuersatz. Das Stichtagsmodell lässt sich aus dem Umsatzsteuergesetz ableiten – dagegen stellt das Zeitscheibenmodell eine Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung dar (vgl. BMF-Schreiben vom 30.06.2020 Rz. 35; Verwaltungsanweisung gilt für Stichtage zum 01.07.2020 mit Umsatzsteuerminderung und 01.01.2021 mit Umsatzsteuererhöhung). Letztendlich lässt die Finanzverwaltung/das BMF beide Modelle zu.


Diese Anwendung des Zeitscheibenmodells führt bei Ablesezeiträumen, welche im zweiten Halbjahr enden, zu ungünstigeren Ergebnissen für Mieter. Wohnungsunternehmen können für die Umsatzsteuer auf Betriebskosten keine Vorsteuer ziehen. Daher werden die Betriebskosten grundsätzlich in gleicher Höhe (Entgelt Betriebskosten zzgl. Umsatzsteuer) an die Mieter bzw. Endkunden umgelegt. Die Versorgungsunternehmen begründen ihre Vorgehensweise u. a. mit

  • dem Wahlrecht der Versorger beim Abrechnungsmodell,
  • dem Gleichbehandlungsgrundsatz (bspw. ein Kunde mit Ablesezeitraumsende nach dem 31.12.2021 würde ggf. gar nicht von der Steuersatzreduzierung profitieren) oder
  • Verweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Fraglich ist, ob die Verwaltungsanweisung des BMF gesetzeskonform und rechtmäßig ist. BMF-Schreiben selbst haben keinen Gesetzescharakter. Die Billigkeitsvorschrift wurde ursprünglich für Steuerersatzerhöhungen begründet (vgl. BMF-Schreiben vom 11.08.2006 für die Umsatzsteuerhöhung zum 01.01.2007) und machen an solchen Stichtagen mit Umsatzsteuersatzerhöhungen Sinn (z. B. zum 01.01.2021). Gemäß der Gesetzesbegründung des „Zweites Corona-Steuerhilfegesetzes“ sollen Endkunden entlastet werden. Eine Entlastung der Endkunden findet mit Anwendung des Zeitscheibenmodells zum 01.07.2020 nicht statt.


Auch der Verweis der Versorger auf die AGB läuft ggf. ins Leere, weil es dabei i. d. R. um die Berechtigung und Verpflichtung der Weitergabe einer Erhöhung der Umsatzsteuer bzw. der Preisänderungen geht. Das sollte aber nicht dazu führen, dass sich Versorger verpflichtet fühlen, Teilabrechnungen zu erstellen, die Umsatzsteuersatzerhöhungen für Lieferungen im ersten Halbjahr 2020 verursachen. Im Ergebnis stellen die Teilabrechnungen im Rahmen des Zeitscheibenmodells Maßnahmen der Versorger dar, die Kunden wirtschaftlich zusätzlich belasten. Dies kann ein Verstoß des „Treu- und Glauben“-Grundsatzes gegenüber den Kunden darstellen (vgl. Hans-Joachim Beck, Leiter Abteilung Steuern beim IVD und ehemaliger Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg; https://ivd.net/2021/01/abgesenkter-umsatzsteuersatz-in-2020/).

Wir empfehlen deshalb auf die Versorgungsunternehmen zuzugehen und gegen die Jahresabrechnung vorzugehen. Wohnungs- und Immobilienverbände haben das Thema aufgegriffen. Es bleibt also spannend.